Aktuelles zum Einheitspatent
Das „einheitliche Patentsystem“ bezeichnet zum einen das „europäische Patent mit einheitlicher Wirkung“, das sogenannte „Einheitspatent“, und zum anderen die Errichtung eines „Einheitlichen Patentgerichts“. Derzeit wird der Start des neuen Systems für die zweite Jahreshälfte 2022 erwartet.
Während bisher ein Europäisches Patent nach dem Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ), einem multinationalen Vertrag zwischen 38 Vertragsstaaten, mit dem Ablauf von drei Monaten nach der Veröffentlichung der Erteilung in ein Bündel einzelner nationaler Patente zerfällt, für welches im Anschluss nationale Voraussetzungen zu erfüllen sind und nationale Kosten entstehen, wird das europäische Patent mit einheitlicher Wirkung, das Einheitspatent (auch: EU-Patent, Unitary Patent), in Zukunft Abhilfe schaffen und das nunmehr gesamte Patentverfahren für alle teilnehmenden Staaten vereinfachen und vereinheitlichen können.
Das Einheitspatent wird – wie das europäische Patent nach dem bisherigen Recht – zunächst ebenfalls nach den derzeit geltenden Vorschriften des EPÜ nach erfolgtem Recherche- und Prüfungsverfahren erteilt. Nach regulärer Erteilung des europäischen Patents kann kostenfrei für die am einheitlichen Patentsystem teilnehmenden Staaten eine „einheitliche Wirkung“ beantragt werden. Der Anmelder hat hierfür bis einen Monat nach Veröffentlichung des Erteilungshinweises im Europäischen Patentblatt Zeit. Das Einheitspatent ersetzt somit nicht das „klassische“ europäische Patent, sondern ist vielmehr eine Variante neben nationalen Patenten und „klassischen“ europäischen Patenten. Es kann auch mit dem „klassischen“ europäischen Patent kombiniert werden. Gerne beraten wir Sie individuell zu den Vor- und Nachteilen eines „klassischen“ europäischen Patents gegenüber dem neuen Einheitspatent.
Genügt der Antrag auf einheitliche Wirkung den Erfordernissen, erteilt das Europäische Patentamt ein Einheitspatent, d. h. es trägt die einheitliche Wirkung in das Register für den einheitlichen Patentschutz ein und teilt dem Antragsteller den Tag dieser Eintragung mit.
Das Einheitspatent hat in allen teilnehmenden Staaten die gleiche Wirkung und ermöglicht es zukünftig, dieses in seiner Gesamtheit für alle Staaten durchzusetzen, anzufechten, zu vernichten oder zu übertragen. Bisher war dies nach dem EPÜ jeweils für jedes einzelne Land separat erforderlich.
Die Möglichkeit ein Europäisches Patent nach den bisherigen Vorschriften zu erlangen, besteht weiterhin, insbesondere da auch nicht alle bisherigen EPÜ-Staaten die internationalen Verträge zum Einheitspatent unterzeichnet haben bzw. unterzeichnen können.
Schutz entfalten wird das Einheitspatent zukünftig in zunächst 17 Europäischen Staaten: Österreich, Belgien, Bulgarien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Deutschland, Italien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, die Niederlande, Portugal, Slowenien und Schweden. Insgesamt 24 Länder, alle EU-Mitgliedstaaten außer Spanien, Kroatien und Polen, hatten bereits angekündigt am einheitlichen Patentsystem teilzunehmen. Weitere Länder werden demnach folgen. Es ist hierbei zu berücksichtigen, dass es – je nach Beitrittsdaten der einzelnen Länder – verschiedene Generationen von Einheitspatenten geben wird, die jeweils eine unterschiedliche territoriale Reichweite haben werden.
Die Vor- und Nachteile eines Europäischen Patents nach dem bisherigen Recht im Gegensatz zum neuen Einheitspatent sind einzelfallabhängig abzuwägen. Im Hinblick auf die Anmeldestrategie Ihres Unternehmens ist individuell eine Entscheidung zu treffen, ob ein „klassisches“ europäisches Patent oder ein Einheitspatent vorzuziehen ist oder eine Kombination beider Modelle. Die einheitliche Durchsetzung des Einheitspatents in allen teilnehmenden Ländern ist ein Vorteil. Es sollte jedoch berücksichtigt werden, dass das Einheitspatent auch durch eine Nichtigkeitsklage mit Wirkung für jedes teilnehmende Land einheitlich zu Fall gebracht werden kann.
Das Einheitspatent kann eine Kostenersparnis mit sich bringen, welche sich in der Regel jedoch erst ab einer gewissen Anzahl an Ländern (ca. vier), welche für den Anmelder interessant sind, zeigt.
Der generelle Verwaltungsaufwand des Einheitspatents ist im Gegensatz zum Europäischen Patent nach dem bisherigen Recht reduziert, da keine umfangreichen Validierungen samt nationalen Amtsgebühren, Vollmachten und nationalen Auslandsvertretern mehr erforderlich sowie verringerte Übersetzungserfordernisse einzuhalten sind. Hinsichtlich der Übersetzungserfordernisse ist anzumerken, dass in einer Übergangszeit die Übersetzung der Beschreibung zu erfolgen hat (sofern die Verfahrenssprache Französisch oder Deutsch ist, eine vollständige Übersetzung der Patentschrift ins Englische), wobei der Übersetzung keine Rechtswirkung zukommt. Später sollen keine Übersetzungen mehr erforderlich sein.
Schließlich sind keine einzelnen nationalen Jahresgebühren für das Einheitspatent mehr zu entrichten, sondern es ist lediglich eine einzige Jahresgebühr an das EPA zu bezahlen. Die Kostenersparnis ist dabei grundsätzlich größer, in je mehr Ländern der Anmelder Schutz mit einem „klassischen“ europäischen Patent beanspruchen würde. Nach Schätzungen des EPA relativiert sich die Ersparnis bei lediglich vier ausgewählten Ländern auf 8 %, vergleicht man die Jahresgebühren und die Validierungskosten des „klassischen“ Patents mit den Jahresgebühren und den Validierungskosten des Einheitspatents bei 20 Jahren Patentlaufzeit. Letztendlich hängen die Kosten allerdings von den ausgewählten Ländern bzw. deren Jahresgebühren, dem Erfordernis von Übersetzungen und den Validierungskosten ab, so dass auch bei vier oder mehr Ländern das „klassische“ Patent günstiger sein kann. Wichtig ist auch zu erwähnen, dass es nach dem neuen System nicht mehr möglich sein wird, das Patent beispielsweise nach Ablauf von zehn Jahren lediglich noch in Deutschland aufrecht zu erhalten, um Jahresgebühren einzusparen. Da die überwiegende Anzahl der Anmelder abweichende Entscheidungen hinsichtlich Länderauswahl und auch hinsichtlich der Laufzeiten der nationalen Patente in den einzelnen Ländern trifft, ist hier eine individuelle Beratung erforderlich, um für Sie die besten Anmeldeoption zu erarbeiten.